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Region
AT130 Wien
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AT323 Salzburg und Umgebung
Branche
Wiener Linien (U-Bahn)
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Projekt RSB
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Die Rote Elektrische
2023-06-29: Die S-LINK Verhinderergruppe - Polemik oder doch schon Verschwörungstheoretiker ?

Angst vor großen Projekten aus Unwissenheit

[Reportage, Presseaussendung]
von Richard Fuchs

Bei Großprojekten ist wichtig, die Bevölkerung ausreichend zu informieren. Meist ist es Unwissenheit und Unsicherheit vor Zukunftsängsten. Große Projekte haben es sehr schwer, weil viele Menschen die Größenordnungen nicht abschätzen können.

Warum haben Bürger panische Angst vor Großprojekten des Schienenverkehrs?

Besonders Menschen mit ausgeprägten Selbstdarstellungs-Bedürfnis wollen überall mitreden und wenn sie sich nicht auskennen, entwickeln sie destruktive Energien, um Projekte abzuwürgen, damit man nicht bemerkt, dass sie in der Sache überfordert sind! Besonders beim Schienenverkehr, der sehr komplex ist und ausgeprägtes vernetztes Denken verlangt, schlägt die eigene Überforderung schnell in fanatische Aversion um, in dem man dann versucht, ganz simpel, das Thema aus der Diskussion zu verdrängen. Dann entwickeln sich ganz obskure Verhaltensmuster, die in einer sachlichen Diskussion unter vernunftbegabten Menschen niemals in Erscheinung treten würden. Eigentlich nur so lassen sich Gruppierungen, wie "Stopp U-Bahn" in ihrer Sinnhaftigkeit erklären!

Warum haben es große politische Aufgaben der öffentlichen Hand so schwer?

Eines ist klar, gegen etwas zu sein ist immer leichter als für etwas zu sein. Aber was wäre die Alternative zum S-LINK ? Trotz mehrfacher Fragen blieb man bis jetzt jegliche Antworten schuldig.

Wirklich große politische Hausaufgaben haben es sehr schwer, weil viele Menschen die Größenordnungen nicht zur Gänze überblicken können. Meist ist es einfach Unwissenheit und damit einhergehend Unsicherheit vor Zukunftsängsten, weil man ja niemals zugeben will, eigentlich nicht mitreden zu können. Darum ist es so wichtig, bei Großprojekten, wie dem S-Link, dass die Bevölkerung ausreichend informiert wird, um die Ängste abzubauen. Natürlich kann nicht jeder Mensch vernetzt und in Zusammenhängen denken. Darum müssen die offiziell mit dem Projekt befaßten Stellen das Konzept oder Projekt in einfachen Worten erklären, um Vertrauen zu schaffen. Dieses Vertrauen ist immens wichtig und beugt so mancher emotionsgeladener und gerüchteverbreitender Bürgerinitiative vor. So entstanden um den S-Link in Salzburg die U-Bahn-Stopper, ohne zu wissen, dass es ohnehin um keine „U-Bahn“ geht.

Über 500 interessierte, skeptische und fragende Menschen konnten sich am Informationstag am 29.06.2023 im Salzburg Congress über den S-LINK informieren. Wo waren die Gegner...?

Man sieht sogar, dass manche verunsicherten Menschen nicht einmal wissen, worum es geht und rufen nach „Bürgerbefragungen“. Das Problem dabei ist, dass vor einer Bürgerbefragung der Befragungsgrund erst einmal grundlegend sachkundig erklärt werden muss, um nicht aneinander vorbeizureden.

Schienenverkehr ist Klimaschutz, Schienenverkehr ist Umweltschutz

Für viele Menschen scheint völlig unbegreiflich zu sein, dass Schienenverkehr und Klimaschutz bzw. Umweltschutz etwas miteinander zu tun haben!

Besonders schwierig zu diskutieren ist der Umstand, dass scheinbar völlig unabhängige Themen wie Straßenverkehr, STAU, Klimawandel mit Elementarereignissen (Hochwasser, Erdrutsch, Baumsterben etc.) und Verlust an Lebensqualität bzw. CO2-Strafzahlungen nicht im Zusammenhang zueinander gesehen werden. Dazu kommt, dass Gegenmaßnahmen dazu sehr lange Vorlaufzeiten (bis zu 10 Jahren) haben und im Falle von Katastrophen kurzfristig nicht greifen können. Die Gegenmaßnahmen zu den Hochwasserkatastrophen z.B. im Bereich der Gleichenberger Bahn in der Südsteiermark oder im Oberpinzgau brauchen Jahre an Vorlaufzeiten, was voraussetzt, dass irgendwann damit begonnen werden muß.

Hochwasser Pinzgauer Lokalbahn 3. August 2014 und 20. Juli 2021, in beiden Fällen wurde unmittelbar mit den Aufräumungsarbeiten begonnen und die Bahn zur Gänze wieder hergestellt!

Bei Nichtstun gibt es im Schadensfall das große Wehklagen, doch dann ist es in der Regel zu spät. Bei den als „Nebenbahnen“ diskreditierten Regionalbahnen, wie Gleichenberger Bahn, Murtalbahn oder Pinzgauer Lokalbahn, die vielfach auf Hochwasserdämmen verkehren, denken verantwortungslose Politiker sogar an die Zerstörung der Bahn und nehmen damit in Kauf, dass die ganze Umgebung z.B. im Hochwasser zugrunde geht!

Wenn also Bürgerinitiativen aus Angst vor großen Projekten diese bekämpfen und damit die für die Allgemeinheit dringend notwendigen Schutzmaßnahmen und Grundlagen für die Daseinsvorsorge verhindern, machen diese Leute sich des Klimawandels mitschuldig! Aus diesem Grund muss grundlegende und umfassende Information an die Bevölkerung absoluten Vorrang haben. Damit ist das Installieren eines Projekt-Ombudmannes das Gebot der Stunde. Nahezu in jedem Projekt gibt es Widerstand von skeptischen, aber auch fanatischen Gegnern. Skeptiker kann man überzeugen. Beratungsresistente Fanatiker und nahezu ideologische Bahngegner sind schwer bis überhaupt nicht zu überzeugen.

Am 31.03.2023 führte die S-LINK Projektgesellschaft den zweiten Informationsstand im Forum1 durch. Der Zulauf war überwiegend sehr positiv, unzählige Fragen konnten beantwortet und Ängste ausgeräumt werden.

Flügelrad

Der frühere ÖBB-Bahnplaner von Planning & Engineering Dr. Wehr hat dem Verein „Die Rote Elektrische“ aus seinem Archiv ein sehr interessantes Dokument über den U-Bahn-Bau 1966 in Wien zukommen lassen, wofür hiermit ein Dankeschön ausgesprochen werden soll. Dieser Zeitungsartikel vom Kurier am 13.08.1966 zeigt in der Argumentation Parallelen zur Diskussion um den S-Link und ist daher im vollen Text (in lesbarer Form) hier aufgezeigt:

KURIER-MAGAZIN MIT MARIANNE 13.08.1966

In fast genau einem Monat werden Wiens Stadtväter zusammentreten und Ihre vielleicht schwerwiegendsten Entscheidungen seit mehr als 50 Jahren zu treffen haben: Zur Diskussion steht der U-Bahn-Bau für Wien. In den knapp drei Jahren, seitdem sich Wiens Stadtplaner offiziell mit der U-Bahn befassen durften, haben sie viel geleistet. Es wurden einige Dutzend Varianten für ein U-Rahn-, ein S-Bahn-, ein UStrab-Netz entworfen, geprüft, verworfen. Es wurden Bodenuntersuchungen gemacht, Bauverfahren studiert, Trassen untersucht. Was nun vorliegt, Ist keine endgültige Planung (dazu wären auch die schon erwähnten drei Jahre zu kurz), aber ein Programm.

Darüber berichtet Helmut Korzendörfer.

Kurier 13. August 1966 U-Bahn Wien "Ring ohne Straßenbahn" Zeitungsartikel zum U-Bahn-Bau in Wien vor 57 Jahren

So soll das U-Bahn-Netz In der Innenstadt Wiens aussehen: Dicker färbiger Strich, die bereits fertigen Tunnels der Zweierlinie, Sie worden zum Ringturm und zum Rennweg hin (gepunktet) durch Tunnelstrecken ergänzt und ergeben dann die U 2 der ersten Ausbaustufe. Dick strichliert sind die beiden „Durchmesserlinien“ durch die Innenstadt: Die U 1, Praterstern-Favoriten, und die U 3, Stadthalle-Landstraße. Sie kreuzen sich am Stephansplatz. Gekastelt ist die Wiental-Donaukanal-Linie der Stadtbahn. Sie wird im neuen U-Bahn-Netz die U 4 sein.

Wiens großes U-Bahn-Projekt für 1972/73:

Ring ohne Straßenbahn

Welche U-Bahn-Linien für die Innenstadt notwendig sind, welche Linien auf jeden Fall und in welcher Reihenfolge gebaut werden sollten, steht zumindest auf dem Papier schon fest. Folgende Punkte wurden fixiert:

® 1. Die U 2: Ringturm - Schottentor - Landesgericht - Volkstheater - Karlsplatz - Schwarzenbergplatz - Rennweg - Simmering. ® 2. Die U 1: im Abschnitt Reumannplatz - Südtirolerplatz - Karlsplatz - Stephansplatz - Praterstern. ® 3. Die U 4: welche eigentlich nur eine Umwandlung der Wiental-Donaukanal-Linie der Stadtbahn in eine moderne Schnellverkehrslinie ist. ® 4. Die U 3: Stadthalle - Burggasse - Volkstheater - Ballhausplatz - Stephansplatz - Hauptzollamt - Landstraße.

Alles das zusammen kostet rund 4,5 Milliarden Schilling (ohne die dazugehörigen Garnituren) und wäre nach zehn Jahren Bauzeit fertig. Wenn sich die Stadtväter anstrengen und nicht noch Angst vor dem eigenen Mut bekommen, wenn also im Laufe der nächsten zwei Monate ein grundsätzlicher Baubeschluß erfolgt, so kann im kommenden Jahr mit dem U-Bahn-Bau begonnen werden. Und zwar im Abschnitt zwischen Sezession und St. Marx mit der U2 und im Abschnitt Karlsplatz - Praterstraße der U 1.

Die Baukosten für die 3,4 Kilometer lange Innenstadtdurchquerung Karlsplatz - Praterstraße betragen allein mehr als eine Milliarde Schilling, die Bauzeit wäre sieben Jahre, als Bauweise würde ein echter Tunnelbau gewählt werden. Dieser Abschnitt ist besonders schwierig und besonders kostspielig. Die U 1 muß nämlich am Karlsplatz unter dem Wienfluß, der Stadtbahn und der U2 durch, bei der Opernkreuzung die Jonas-Grotte unterfahren, in der Innenstadt gerät sie in den Bereich der Katakomben und muß beim Stephansplatz unter der unter Graben und Singerstraße verlaufenden U 3 durch, und muß schließlich auch im Tunnel unter dem Donaukanal geführt werden.

Während also die U 1 frühestens 1973 den Betrieb aufnehmen kann, wird die U2 bereits ab 1972 in Verkehr sein können, weil die noch fehlenden Abschnitte Ringturm - Landesgericht und Sezession - Rennweg größtenteils nach dem schon sehr erprobten Bauverfahren ausgeführt werden kann, das am Gürtel und an der Zweierlinie angewendet worden ist. Wie der U-Bahn-Betrieb vor sich gehen wird, werden die Wiener allerdings möglicherweise schon ab 1969/70 erleben können. Zu diesem Zeitpunkt soll die Stadtbahn WD auf U-Bahn-Betrieb umgestellt werden und neue vierachsige Garnituren bekommen.

Im innerstädtischen Verkehr:

Auch Autobusse eingestellt

Ab 1972/73 wird dann ein großes Straßenbahnsterben einsetzen: Die Ringlinien werden aufgelassen, der O-Wagen, die Zweierlinie. Der 71er führt dann nur noch bis St. Marx, die meisten Reichsbrückenlinien enden am Praterstern. Statt des D-Wagens wird der 69er (Südbahnhof - Schellinggasse) und der 36er (Nußdorf - Börse) geführt usw. Mit fortschreitendem weiterem Ausbau des U-Bahn-Netzes wird die Straßenbahn innerhalb des Gürtels praktisch ganz verschwinden.

Gleichzeitig mit diesen großen Umstellungen werden auch die innerstädtischen Autobuslinien weitgehend eingestellt werden können. Die unter Fahrermangel leidenden Verkehrsbetriebe würden damit in die Lage versetzt, die dringend notwendigen Autobuslinien zur Erschließung neuer Wohngebiete am Stadtrand endlich in Betrieb nehmen zu können. Auch für den Autoverkehr ergeben sich große Vorteile.

Man stelle sich vor: Ring, Kai, Favoritenstraße, Wiedner Hauptstraße, Praterstraße, Landstraßer Hauptstraße, Rennweg ohne Straßenbahn, alle mit vier bis sechs Fahrspuren, Grüne Welle usw. So gesehen, ist der U-Bahn-Bau also auch indirekt eine „Straßenbauvariante” und schafft zusätzliche Verkehrsflächen für den Straßenverkehr.

Wer soll das bezahlen?

Um einen halbwegs raschen U-Bahn-Bau zu gewährleisten, müßte die Stadtverwaltung im nächsten Jahr rund 300 Millionen, ab 1968 500 Millionen Schilling bereitstellen. Überlegungen, wie diese enormen Beträge aufgebracht werden können, werden im Rathaus natürlich angestellt. Sie werden da und dort zu unpopulären Maßnahmen führen müssen (z. B. zum Abbau des Defizits der Wasserwerke durch Tariferhöhungen). Aber diese Beträge sind aufzubringen.

Die zweite Frage: Sind diese Gelder gut angelegt? Die Antwort lautet eindeutig ja! Das Verkehrsproblem einer Millionenstadt kann nur durch eine U-Bahn gelöst werden. Die Stadtväter werden damit zwar nicht der Verpflichtung enthoben, den begonnenen Ausbau von Schnellstraßen und Autobahnen fortzusetzen, aber dem U-Bahn-Bau gebührt zweifellos der Vorrang. Das läßt sich einwandfrei nachweisen. Nicht umsonst haben sich gerade in den letzten Monaten Los Angeles, San Franzisko und andere amerikanische Städte, die mit sechs- und zehnspurigen Superhighways ihr Glück versuchten, U-Bahnen zu bauen begonnen. Nicht umsonst ist in Rotterdam, Mailand, Frankfurt und München die U-Bahn in Bau. In Hannover, in Kopenhagen und sogar im relativ kleinen Nürnberg steht sie vor Baubeginn.

Weniger Personal

Die Gelder sind gut angelegt, weil sie die Stadt davor bewahren, im Verkehr zu ersticken. Weil eine U-Bahn-Linie bis zu 40.000 Personen in der Stunde je Richtung befördern kann (wofür eine Straße von mehreren 100 Meter Breite notwendig wäre, wenn die gleiche Beförderungsleistung mit Pkw erfolgen sollte).

Dazu kommt noch etwas: Bekanntlich haben die Wiener Verkehrsbetriebe ein Defizit, das im nächsten Jahr 600 Millionen Schilling erreichen dürfte. Schuld daran sind die veraltete Form des Straßenbahnbetriebes und das Fehlen einer U-Bahn. Schon nach der ersten Ausbauphase wird sich die Möglichkeit ergeben, 2000 Straßenbahnerposten einzusparen. Das senkt allein die Betriebskosten beträchtlich. Der U-Bahn-Bau ist also auch ein Schritt zur Sanierung der Verkehrsbetriebe. Und wenn man berücksichtigt, daß bei einem modernen U-Bahn-Betrieb ein fast vollautomatischer Betriebsablauf möglich ist (in den USA und in der Sowjetunion werden bereits „Geisterzüge” ohne Fahrer erprobt), daß zur Abfertigung der Fahrgäste automatische Sperranlagen und Fahrscheinautomaten angelegt werden können (wie bereits z. B. in Mailand zu sehen), so zeigt das, welche Möglichkeiten hier vorhanden sind.

Wiens U-Bahn wird offiziell „Stadtbahn” heißen. Auch wenn in amtlichen Plänen überall von der U 1, U2 usw. die Rede ist. Auch wenn ihre Garnituren den für München bestellten fast aufs Haar gleichen werden, auch wenn der Begriff „Stadtbahn" durch die straßenbahnähnliche Betriebsform abgewertet ist. Die Mehrheit des Rathauses hält es in dieser Frage lieber mit der Tradition und knüpfte jetzt dort an, wo der Stadtbahnbau vor 60 Jahren unter Bürgermeister Lueger abgeschlossen wurde. „Schuld“ daran ist die ÖVP, denn ihre Mandatare haben seit 1955 immer wieder die Planung einer U-Bahn verlangt. Und den Erfolg, recht gehabt zu haben, gönnt die SPÖ ihrem Partner in der Rathauskoalition nicht.

Wie sie heißt, ist egal

Es ist von sekundärer Bedeutung, wie Wiens künftiges städtisches Schnellverkehrsmittel heißen wird. Hauptsache, es entspricht in allem und jedem den Ansprüchen, die man heute von einem modernen U-Bahn-Betrieb verlangen kann: dichte Zugfolgen, hohe Geschwindigkeit, ein gewisser Fahrkomfort, weit in die Vororte hinaus führende Linien, Parkplätze an den Stationen in den Außengebieten, gute Zubringerlinien, günstige Linienführung usw. Seit 1910 ist in Wien - mit Ausnahme des Schnellbahnbaues — nichts Wesentliches zum Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel geschehen. Die Versäumnisse dieser fast 60 Jahre in kurzer Zeit aufzuholen, ist unmöglich. Es muß aber endlich damit begonnen werden. Und in diesem Sinne erwartet sich die Öffentlichkeit mutige Entschlüsse bei der entscheidenden Sitzung, die - wie eingangs erwähnt - in genau einem Monat stattfindet.